KI wird unser Leben in allen Bereichen beeinflussen und unsere Gesellschaft nachhaltig verändern. Diese Veränderung wird durch die fortschreitende Digitalisierung und die Einführung anderer neuer Technologien, wie IoT und Robotik, verstärkt. Wenn wir die Zukunft Österreichs gestalten wollen, müssen wir darum die Digitalisierung und neue Technologien, vor allem KI, zu einer Priorität machen. Nur auf diese Weise können wir langfristig Österreichs Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand sichern sowie soziale Gerechtigkeit schaffen.
Die drei Ebenen unserer KI-Strategie:
Um die Chancen zu nützen und die Herausforderungen zu meistern, die mit KI verbunden sind, braucht es Maßnahmen auf drei Ebenen:
Daten:
Daten sind der Treibstoff von KI. Die folgenden Maßnahmen sind insofern nicht nur notwendig, um die Grundlage für alle weiteren Aktivitäten zu schaffen, sie verstärken auch die positiven Wirkungen aller Maßnahmen der anderen Bereiche dieser Strategie. (Beispiel: Je mehr Daten der Forschung zur Verfügung stehen, desto besser die Ergebnisse der Forschung.)
Infrastruktur:
Die (physische) Infrastruktur, die Daten transportiert und nutzbar macht, muss ausgebaut Im Zentrum stehen Breitbandausbau, 5G-Roll-Out und Vorbereitungen auf die breitenwirksame Einführung des IoT.
Datenpolitik:
Die Menge und Qualität verfügbarer Daten muss deutlich gesteigert werden. Es geht hier nicht unbedingt darum neue oder mehr Daten zu erheben. Vielmehr sollen bestehende Datenbestände besser genützt werden. Die öffentliche Verwaltung verfügt beispielsweise über einen riesigen Schatz an (nicht-personenbezogenen) Daten, die – hinreichend anonymisiert[1] und in maschinenlesbarer Form – veröffentlicht werden könnten („Open Government Data“). Auch Forschung und Wirtschaft verfügen über große Mengen an Daten. Diese Datenbestände sind aber stark zersplittert, weil es derzeit, unter anderem, kaum möglich ist Daten zu teilen, ohne einen Wettbewerbsvorteil zu verspielen oder rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Insofern braucht es rechtliche und technische Rahmenbedingungen sowie Anreize, damit Forschung, Wirtschaft und Verwaltung Daten zusammenführen („poolen“), teilen, handeln und somit gemeinschaftlich nützen.
Privacy & Security:
Unsere Privatsphäre muss nicht nur in der realen Welt, sondern auch im digitalen Raum gesichert Hierfür braucht es gezielte Investitionen in die Forschung an entsprechenden Lösungen, technologische Maßnahmen (z.B. Einführung einer „echten“ digitalen Identität („Self-Sovereign Identity“)[2], sicherheitspolitische Maßnahmen (z.B. Cybersecurity, Schutz kritischer Dateninfrastruktur) und die rechtliche Stärkung der individuellen Datensouveränität (z.B. Weitergabe von (sensiblen) personenbezogenen Daten durch die öffentliche Hand nur in anonymisierter Form).
Menschen:
Einer der größten Herausforderungen für das österreichischen KI-Ökosystem ist der Mangel von Menschen mit einschlägigen Fähigkeiten und Kompetenzen. Dies gilt gleichermaßen für Wirtschaft, Wissenschaft und die öffentliche Verwaltung. Das österreichische Bildungssystem muss zukunftsfit gemacht werden. Gleiches muss bei der beruflichen Ausbildung und der Vorbereitung auf die digitalisierte Arbeitswelt geschehen. Darum braucht es Maßnahmen auf allen Bildungs- und Ausbildungsebenen:
Schule & grundlegende Bildung:
Wir müssen sicherstellen, dass die „digitale Bildung“ unserer Kinder nicht zu einer neuen Version des alten Informatikunterrichts verkommt und spätestens ab der Oberstufe ausgebaut und in ein „anwendungsorientiertes“ Fach[3] (z.B. Computational Thinking, Programmieren, Datenanalyse und Datenmanagement) sowie in „Softskills“ (z.B. Medienkompetenz, Ethik, Präsentation) aufgeteilt wird. Projektarbeit soll verstärkt stattfinden, um Kompetenzen zu fördern, die komplementär zu jenen von Maschinen sind (z.B. Kommunikation, Koordination, Kreativität). Darüber hinaus muss Digitalisierung als „Unterrichtsprinzip“ verankert werden. Um diese Ziele zu erreichen muss Schulen auch ein bestimmtes Maß an technischer Ausstattung zur Verfügung gestellt werden, insbesondere W-Lan, Laptops oder Tablets für Lehrer_Innen und zumindest eine Grundausstattung an Laptops oder Tablets, die von Klassenverbänden gemeinschaftlich genützt werden kann.
Wissenschaft & höhere Bildung:
Grund für den Mangel von Fachkräften im KI- und Data Science-Bereich ist, dass zu wenig Menschen in Österreich entsprechende Bildungswege beschreiten, nicht zuletzt wegen des Fehlens entsprechender Angebote. Darum braucht es Mittel für zusätzliche Studienplätzen im MINT-Bereich, insb. in Informatik. Es braucht auch gezielte Maßnahmen, wie die Einführung spezieller Masterstudiengänge sowie neuer Professuren und Doktoratsstellen im KI-Bereich. Auch entsprechende Wahlfachkörbe sollen ausgebaut und der Zugang zu diesen für möglichst viele Studienrichtungen geöffnet werden. Gleichzeitig könnte die Einführung von eLearning-Kursen (insb. „Massive Open Online Courses“, „MOOCs“) mit KI- und Data Science Schwerpunkt und deren Öffnung und Anrechenbarkeit für alle Studierenden mehr Menschen für KI begeistern und interdisziplinäre Forschung anregen.
Lebensbegleitendes Lernen:
Unsere Arbeitswelt verändert sich schneller als je zuvor und mit ihr auch die Berufsbilder und Anforderungen an Arbeitnehmer_Innen. Lebensbegleitendes Lernen wird immer wichtiger, das ist unbestreitbar. Insofern gilt es, berufsbegleitende Weiterbildungen in den Bereichen KI, Data Science, Robotik (u.a.) an Universitäten und FHs auszubauen. Die Schaffung kostenloser, modularer (Online-)Bildungsprogramme für verschiedene Wissensniveaus und mit ähnlichen Schwerpunkten, könnte eine vielversprechende Ergänzung darstellen. Unterschiedliche Formate (z.B. mehrwöchige Abendkurse, MOOCs) könnten die Flexibilität erhöhen, dadurch Eintrittshürden senken und für eine höhere Skalierbarkeit und mehr Chancengleichheit sorgen.
Anwendungen:
Ziel der ersten beiden Maßnahmenpakete („Daten“ und „Menschen“) ist es, die notwendige Basis zu schaffen, damit KI erforscht und in der Praxis eingesetzt werden kann (z.B. durch Ausbau der nötigen Infrastruktur und Aufbau der nötigen Kompetenzen). Dieses Maßnahmenpaket enthält konkrete Vorschläge, um die optimale Anwendung von KI in Forschung, Wirtschaft, Politik und Verwaltung sicherzustellen.
Forschung:
Forschung ist ein Garant für Innovation. Darum müssen Fördermittel für den KI-Bereich, insbesondere für die Spitzenforschung, mindestens verdoppelt und erfolgreiche thematische Förderprogramme mit KI-Schwerpunkt ausgebaut werden (z.B. die FFG-Programme: IKT der Zukunft und COMET). Zusätzlich könnten neue Förderdesigns getestet werden, die eine Finanzierung vielversprechender Projekte von der Grundlagenforschung bis zur Markteinführung unterstützen (z.B. unter Einbeziehung der Wirtschaft), um sicherzustellen, dass Forschungsinvestitionen auch wirtschaftlich realisiert werden.
Wirtschaft & Unternehmertum:
Zentral für die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen sowie der österreichischen Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit ist es, die bestmögliche wirtschaftliche Verwertung und Anwendung von KI. Das erfordert beispielsweise die gezielte Förderung von KI in ausgewählten Sektoren und Branchen, die für die Zukunft Österreichs eine große Rolle spielen werden (z.B. Gesundheit, Ressourcenallokation, Industrie 4.0, Mobilität) sowie den Aufbau entsprechender Ökosysteme. Zusätzlich müssen KMUs – als das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft – bei der Einführung und Anwendung von KI gefördert Um die bestehende Zersplitterung von Wissen, Ressourcen und Kapital aufzulösen, könnten KI-Innovationszentren an Universitäten eingerichtet werden. An diesen physischen Orten könnten Ressourcen (z.B. Daten, Rechenleistung, Algorithmen) gebündelt, Talente ausgebildet, interdisziplinär geforscht und innovative Unternehmen inkubiert werden. Zusätzlich könnten diese Zentren Orte sein, an denen sich Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft austauschen und durch die Österreich in Netzwerke auf übernationaler Ebene (z.B. EU) eingebunden wird. Ergänzend sollte ein digitales Ökosystem (z.B. mit Hilfe einer österreichweiten Cloudlösung) aufgebaut werden, um die österreichweite, gemeinschaftliche Verwendung von Datenbeständen und Algorithmen sicherzustellen.
Politik & Verwaltung:
Eine große Chance bietet KI auch in den besonders sensiblen Bereichen der Politik und öffentlichen Verwaltung. Der Einsatz von KI kann einerseits die Effizienz und Qualität staatlicher Dienstleistungen erhöhen, wodurch Aufwand und Kosten gesenkt und eine schlankere Verwaltung möglich wird. (Angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle im öffentlichen Dienst, wird dies ohnehin passieren müssen.) Andererseits könnten auch politische Entscheidungen durch die Nutzung von KI verbessert und deren Umsetzung effektiver gestaltet werden (z.B. indem Verzögerungen oder unerwünschte Wirkungen früher erkannt und schneller alternative Maßnahmen gefunden werden). Gleichzeitig gilt es die Gefahren von KI zu berücksichtigen (z.B. „Algorithmic Bias“, Intransparenz von Algorithmen, Mängel bei Datenbeständen). Insofern muss die Nutzung von KIs und verwandten Technologien im öffentlichen Bereich einhergehen mit der Einführung von Regeln für das Sammeln, Verwalten und die (Wieder)Verwendung von Daten („Data Governance“) sowie für den Einsatz von Technologien zur Automatisierung und Unterstützung von Entscheidungen („Automated Decision Systems“).
Ethik:
Ethik und Gerechtigkeitserwägungen spielen im Zusammenhang mit KI eine große Rolle, nicht zuletzt, weil uns KI dazu zwingt bestehende Systeme zu überdenken. Auch die neuen Chancen und Möglichkeiten, die uns KI eröffnet, werfen vielen Fragen auf, denen wir uns – als Gesellschaft – noch nicht stellen mussten. Da alle Bereiche einer KI-Strategie ethische Herausforderungen bergen, gibt es kein eigenes Kapitel für ethische Erwägungen. Vielmehr finden sich die entsprechenden Forderungen direkt in den jeweiligen Maßnahmenpaketen. Es ist besonders hervorzuheben, dass ethische Herausforderungen immer im gesellschaftlichen Dialog gelöst werden müssen. Insofern braucht es nicht nur eine offizielle Ethikkommission, die die relevantesten Fragen aufwirft, unter Einbindung der Gesellschaft diskutiert, politische Entscheidungsträger berät und insofern auch Verantwortung für die gerechte Nutzung von KI in Österreich trägt. Daher sollte diese Kommission möglichst interdisziplinär aufgestellt sein, um ein möglichst breites Spektrum an Fragen behandeln zu können.</p<
Zukunft Österreichs:
Die Erarbeitung einer KI-Strategie ist ein wichtiger Schritt auf Österreichs Weg in die Zukunft. KI ist aber nur eine von vielen Herausforderungen, die die Digitalisierung an uns stellt. Auch andere Technologien und Innovationen werden unsere Gesellschaft tiefgreifend verändern und bestehende Systeme in Frage stellen. Eine der wohl größten Herausforderungen wird es das Zusammenspiel von Bildung, Arbeit und sozialer Gerechtigkeit zu gestalten: Arbeit wird sich verändern, neue Berufe werden entstehen und bestimmte Berufe werden wegfallen. Dementsprechend muss sich unser (Aus)Bildungssystem verändern und eine Kultur des lebenslangen Lernens etabliert und gefördert werden. Neue Technologien und sozio-ökonomische Entwicklungen bergen Risiken, etwa die Polarisierung des Arbeitsmarkts, denen frühzeitig entgegengewirkt werden muss. Konsequenter Weise muss auch unser Sozialsystem und die Natur staatlicher Transferleistungen überdacht, reformiert und auf europäischer Ebene abgestimmt werden. Es gibt viele offene Fragen, für die wir gemeinsam Antworten finden müssen, wenn wir die Zukunft Österreichs sichern wollen.
[3] Aktuelle Anonymisierungsmethoden ermöglichen mittlerweile einen hohen Grad an Informationen zu veröffentlichen und gleichzeitig den Datenschutz der Bürger_Innen zu gewährleisten.
[4] Gemeint ist die Einführung einer digitalen Identität, im Sinne des „Self-Sovereign Identity“-Modells („SSI“), die Menschen (mehr) Kontrolle über ihre Daten gibt. Siehe auch Erläuterungen in Anhang 2.
[5] KI-relevante Kompetenzen wie z.B. Datenanalyse und Datenkommunikation bzw. Visualisierung könnten auch im Rahmen anderer Unterrichtsgegenstände, insb. in Mathematik stattfinden. Ein Schritt weg von der ausschließlichen Nutzung von Taschenrechnern und hin zur computer-gestützten Analyse von Daten wäre längst nötig.